Die Wollbiene A. manicatum sucht gerne in Bohrlöchern Schutz. Darüber 1 Löcherbiene. (jac) |
Die "Wollbienen" bzw. "Harzbienen" (auch "Bastardbienen") (Gattung Anthidium) wurden im Deutschen nach der Bauweise ihrer Brutzellen benannt. "Wollbienen" wie Anthidium manicatum, A. oblongatum, A. punctatum und A. montanum verbauen Pflanzenhaare, während dike "Harzbiene" Anthidium strigatum Nadelbaum-Harz verwendet. Anthidium byssinum verbaut ausgeschnittene Blattstücke und kleidet die Zelleninnenwand dann mit Harz aus: eine Bauweise, die vermutlich zum Gattungsnamen Bastardbienen geführt hat. Anthidium-Arten im südlichen Mitteleuropa benutzen Pflanzenwolle und Harz oder Harz und Erde. Die englische Bezeichnung dieser Gattung, "Carder Bees", leitet sich vom Kardieren bzw. Wollkämm(l)er ab.
Typisch für Anthidium-Arten ist die auf den ersten Blick etwas wespenähnliche schwarz- bzw. grau-gelbe Zeichnung, die allerdings nicht bei allen Arten vorkommt:
Die Männchen sind oft deutlich größer als die Weibchen. Bei vielen Arten besitzen sie außerdem auffällige Zähne, Dornen oder Lappen am Ende des Abdomens (6. Tergit). Die Männchen mancher Arten verteidigen die Nahrungsreviere arteigener Weibchen gegen arteigene männliche Konkurrenten und sogar andere Tiere; dabei setzen sie ihre dornigen Hinterleibsenden ein. Männchen schlafen einzeln oder in Kleingruppen in Hohlräumen, bei einigen Arten beißen sie sich zum Schlafen mit den Mandibeln an Pflanzen fest.
Die Weibchen haben eine Bauchbürste. In der Regel schlüpfen sie vor den Männchen ("Proterogynie"), was sie von den meisten anderen Bienenarten unterscheidet, und sie verschlafen Nächte und Schlechtwettertage ebenfalls gerne in Nistgängen, in denen sonst Mauerbienen nisten. Zu rechnen ist mit Anthidium-Arten von Juni bis September; üblich ist nur eine Generation im Jahr, nur A. manicatum kann in warmen und langen Sommern eine zweite Generation hervorbringen, die allerdings nicht immer erfolgreich nistet.
Die "Bastardbiene" Anthidium byssinum wurde lange Zeit in eine eigene Gattung, nämlich Trachusa, gestellt und hieß deshalb Trachusa byssina. Ihr Nestbau erinnert zugleich an Blattschneiderbienen (Gattung Megachile) und die Harzbiene Anthidium strigatum: Anthidium byssinum schneidet vom Rand diverser Laubblätter bis 30 mm lange und 2–3 mm breite Streifen ab und rollt diese dabei unter ihrem Körper zu einer Spirale zusammen. Sobald der spitz zulaufende Streifen abgeschnitten ist, fällt die Bastardbiene mit der Rolle vom Blatt herunter, fängt sich aber in der Luft und trägt die Rolle in ihre zuvor gegrabene Niströhre. Dort entrollt sich der Blattstreifen zu einer Spirale, die sich durch ihre Spannung an die Innenwand drückt. Pro Brutzelle sammelt das Weibchen 7–14 Blattrollen. Anschließend trägt es unterschiedlich große Harzbrocken ein, die es, wenn genug davon in der Brutzelle angehäuft sind, auf die Innenwand streicht und so alle Blattstreifen miteinander verklebt. Schließlich trägt die Biene Pollen und Nektar ein ...
Die Düsterbienen (Stelis spec.) gehören, wie erwähnt, eigentlich zum Taxon Anthidium und werden als Kuckucksbienen nur aus Tradition in eine eigene Gattung gestellt. Paul Westrich schreibt dazu in seinem Standardwerk Die Wildbienen Deutschlands (S. 578): "Mir ist bewusst, dass die Gattung Anthidium s.l. nach den Kriterien der phylogenetischen Systematik dann paraphyletisch wird, wenn Stelis als eigenständige Gattung beibehalten wird [...]." Ein paraphyletisches Taxon (hier: die Gattung Anthidium) hat mit einem anderen (hier: Stelis) eine gemeinsame Stammform, umfaßt aber nicht alle Abkömmlinge der Stammform (hier: nicht die Stelis-Arten). Das bekannteste Beispiel für Paraphylie sind wohl die Reptilien, weil sie nach gängiger Definition die Vögel, ebenfalls Nachkommen des letzten gemeinsamen Vorfahren, nicht enthalten. Wollten wir gemäß den Erkenntnissen der Phylogenetik ('Abstammungsgenetik') in unserer Terminologie nur Monophylie zulassen, müßten wir unseren Sprachgebrauch ändern und mit Reptilien fortan auch die Vögel meinen.
Anthidium | Kennzeichen | Flugzeit | Nahrung | Kuckuck |
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byssinum | 910 mm; ohne helle Flecken; rotbrauner Thorax, spärlich behaarter Abdomen | univoltin: Anfang JunMitte Aug | oligolektisch: Fabaceae | wahrscheinlich Coelioxys quadridentata |
caturigense (CH) | 912 mm; weißgelbe Abdomen-Flecken mit gezackter Randlinie | ? | polilektisch, bevorzugt Fabaceae | unbekannt |
interruptum (A, CH) | 1114 mm; weißgelbe Abdomen-Flecken, reinweiße Bauchbürste | ? | oligolektisch: Dipsacaceae | Stelis annulata |
laterale (A, CH) | 1214 mm; auffallend groß, schwarz glänzender, weißgelb gefleckter Abdomen | ? | eingeschränkt polylektisch: meist Flockenbl. & Disteln | unbekannt |
lituratum → nanum * | 912 mm | univoltin: Anfang JulMitte Aug | oligolektisch: Asteraceae |
Stelis ornatula, S. punctulatissima |
manicatum | : 1112 mm, : 1418 mm; beidseitig lange senkrechte gelbe Abdomen-Flecken, gelbe Beine; mit 3dornigem Endtergit | univoltin, in heiß. langen Sommern teilweise bivoltin | eingeschränkt polylektisch |
Stelis punctulatissima |
montanum | ?? mm | univoltin: Mitte JunAnfang Aug | oligolektisch (?): Fabaceae | unbekannt |
oblongatum | 810 mm + 913 mm; helle Fac.augen, orangebraune Beine; mit 2lappigem Endtergit | univoltin: Mitte JunMitte Aug | polylektisch | S. punctulatissima |
punctatum | 810 mm; Abdomen-Flecken beidseitig in je 2 Punktreihen aufgelöst | univoltin: Anfang JunAnfang Aug | polylektisch | unbekannt |
scapulare (CH) |
68 mm; kaum behaarter anthrazitf. Thorax, lange gelbe Abdomen-Flecken | ? | oligolektisch: Asteraceae | Stelis ornatula, S. punctulatissima |
septemspinosum | 1316 mm; wie A. manicatum, aber schwarze Beine, ohne Haarbüschel am Abdomen, mit schwarzem Gesicht | univoltin: Ende Jun–Ende Aug | polylektisch | unbekannt |
strigatum | 67 mm; kaum behaarter anthrazitf. Thorax, nach innen versetzte lange gelbe Flecken auf 3.5. Tergit | univoltin: Mitte JunMitte Aug | polylektisch | Stelis signata |
Die Bedeutungen der Fachtermini werden im Wildbienen-Glossar erklärt. |
Innerhalb der Gattung Anthidium lassen sich Arten erkennen, die sich bezüglich ihres Aussehens oder/und Verhaltens entweder deutlich ähneln oder unterscheiden, wie zu Anthidium byssinum und Anthidium strigatum bereits angemerkt wurde. Folglich lassen sich – wie die Arten vieler anderer Gattungen – auch die Arten der Gattung Anthidium in Gruppen bzw. Untergattungen zusammenfassen, deren Berechtigung durch Genanalysen bestätigt wurde.
Die folgende Tabelle sortiert die Anthidium-Arten nach Untergattungen. Wenn nach dem Gattungsnamen auch eine Untergattung genannt werden soll, wird auch diese mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben, aber eingeklammert. Wenn der Name der Untergattung den Gattungsnamen wiederholt, ist die Bezeichnung sensu stricto (s. str. = 'im engeren Sinne') zu verstehen. Beispiel: Anthidium (Anthidium) manicatum bzw. A. (Anthidium) manicatum. Anthidium nanum ist hier der Untergattung Icteranthidium zugeordnet (später Pseudoanthidium), die Düsterbienen hingegen fehlen, sie stehen in einer eigenen Gattung: Stelis.
Die Gattung Anthidium
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Klassifikation in Anlehnung an Charles Michener (2007): The Bees of the World, der allerdings sechs Gattungen postuliert.
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Die Wollbienen, Anthidium Fabricius 1804, wurden zunächst neben drei weitere Gruppen mit Gattungsrang gestellt: Anthidiellum Cockerell 1904 ("Harzbienen"), Trachusa Panzer 1804 ("Bastadbienen") und Stelis Panzer 1806 ("Düsterbienen"). Der Entomologe Klaus Warncke integrierte dann (1980, 1986) Anthidiellum und Trachusa in die "Großgattung" Anthidium, ließ aber Stelis ihren Gattungsstatus – wohl ein Zugeständnis an die traditionelle Sicht auf diese Kuckucksbienen (siehe oben), das auch Paul Westrich in Die Wildbienen Deutschlands macht. 2016 allerdings rissen J. R. Litman et al. diese Klassifikation wieder auseinander in ihrer Studie "Phylogenetic systematics and a revised generic classification of anthidiine bees (Hymenoptera; Megachilidae)", und Schechl & Willner folgten ihnen in ihrem Taschenlexikon, wo sie sechs Gattungen von A bis T über das Alphabet verstreuen. Westrich merkt dazu in seinem Standardwerk auf S. 578 an: "Wenn man die Regeln der phylogenetischen Systematik einhält, bleiben eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder man folgt LITMAN et al. (2016) und hat mit einer Vielzahl von Gattungen zu tun, die nicht mal ein guter Bienenkenner im Feld problemlos ansprechen kann, oder man betrachtet alle Gruppen, die von LITMAN et al. den Rang von Gattungen haben, nur als Untergattungen einer Großgattung Anthidium, wie es bei den Hummeln (Bombus) mit einer ähnlichen Problematik gehandhabt wurde."
Selbstverständlich bleibt diese Website bei der traditionellen Gattung Anthidium: Für die Existenz vieler Kleingattungen, zum Teil mit nur einer oder zwei Arten, ist kein zwingender Grund ersichtlich; sie erschweren zudem Experten wie Bürgerforschern (citizen scientists) die Übersicht und das, was Sprache auch in der Wissenschaft leisten sollte: die Kommunikation:
Die Tribus Anthidiini
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Klassifikation nach E. Scheuchl & W. Willner (2016): Taschenlexikon der Wildbienen Mitteleuropas. Quelle & Meyer.
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Die Gattung Anthidium ohne die Kuckucke der Gattung Stelis ist in Deutschland mit 12 Arten vertreten; die folgende Liste umfaßt auch die Arten der Schweiz (CH) und Österreichs (A):
Anthidium Fabricius 1804 nach Warncke (1986) & Westrich (2019) | ||
A. byssinum (Panzer 1798) A. caturigense Giraud 1863 CH A. cingulatum Latreille 1809 A CH A. florentinum (Fabricius 1775) A. interruptum (Fabric. 1781) A CH A. laterale Latreille 1809 A CH |
A. manicatum (Linnaeus 1758) A. melanurum Klug 1832 A. montanum Morawitz 1864 A. nanum Mocsáry 1881 * A. oblongatum (Illiger 1806) A. punctatum Latreille 1809 |
A. scapulare Latreille 1809 CH A. septemdentatum Latreille 1809 A. septemspinosum Lepeletier 1841 A. strigatum (Panzer 1805) A. tenellum Mocsáry 1881 17 Arten, pro Spalte bis 6 |
Synonyma nach Westrich (1990 & 2019): | ||
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* nach Paul Westrich, Ulrich Frommer, Klaus Mandery, Helmut Riemann, Haike Ruhnke, Christoph Saure & Johannes Voith (2008): "Rote Liste der Bienen Deutschlands (Hymenoptera, Apidae) (4. Fassung, Dezember 2007)" in: Eucera 1. 2008, 3. Näheres unter Anthidium nanum.
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