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Fortpflanzung nichtparasitischer Wildbienen

Die zwei Geschlechter der Bienen weisen einige Besonderheiten auf:

Nistplatzsuche, Nestbau

Nistplätze Nistplätze werden ausschließlich von fortpflanzungsfähigen Weibchen gesucht, geformt und für die Eiablage vorbereitet. Die Ansprüche an Niststandorte (Temperatur, Beleuchtung, Struktur) sind artspezifisch ebenso unterschiedlich wie die Nester selber. Im Verhältnis zum produzierten Nachwuchs erscheint der Nestbau recht aufwendig. Nester werden oft an einem Ort in großer Anzahl gebaut, ihre Eingänge finden sich dann dicht beieinander; solche Aggregationen sind allerdings nicht Ausdruck eines "Gemeinschaftssinns" oder gar einer sozialen Organisation der jeweiligen Bienenart, sondern das Ergebnis günstiger Nistbedingungen, die viele Weibchen zum selben Standort ziehen.
    Auch die Männchen vieler Arten sind an den Nestern zu beobachten (s. u.), sie schwirren über bzw. vor einer Nestaggregation oder sitzen an den Nesteingängen und warten auf Weibchen. Manche Drohnen begatten die Weibchen schon unmittelbar nach deren Schlüpfen und bei wenigen Arten sogar im Nest.

Weibchensuche und Paarung

Bienenmännchen (Drohnen) suchen die Weibchen, nicht umgekehrt, und abgesehen von der Honigbiene können sich alle mehrmals hintereinander paaren. Ihre Suchmethode hängt davon ab, ob die Weibchen ihrer Art sich mit nur einem Männchen paaren, also monoandrisch sind, oder mit vielen Männchen, also polyandrisch sind.
    Polyandrische Weibchen sind auch proterogyn: Sie erscheinen vor ihren Männchen, von denen jeweils das letzte, mit dem sie sich paaren, das Privileg hat, als erstes seine Gene weiterzugeben und somit die meisten Nachkommen zu zeugen: Die Weibchen nutzen zur Befruchtung ihrer Eier zuerst die Spermien des letzten Sexualpartners. In Europa sind offenbar nur Woll- und Zottelbienen (Gattungen Anthidium und Panurgus) proterogyn, und die Männchen der meisten Arten sind größer als ihre Weibchen und verteidigen Territorien an besonders ergiebigen Nektar- und Pollenquellen gegen arteigene Drohnen und artfremde Insekten.
    Die meisten Bienenarten sind monoandrisch: Ihre Weibchen paaren sie sich nur einmal, und ihre Männchen sind proterandrisch, d. h. sie schlüpfen aufgrund starken Konkurrenzdrucks vor ihren Weibchen, um bei Erscheinen eines noch unbefruchteten Sexualpartners als erste ihre Spermien bzw. Gene weiterzugeben zu können. Proterandrische Bienenmännchen zeigen drei Varianten der Weibchensuche:

Osmia cornuta: Eier und Larve
Eier und Larve der Mauerbiene Osmia cornuta

Eier, Larven, Puppen, Imagines

Bienen legen ihre Eier in Brutzellen ab, aus denen sich in vier bis fünf Stadien der Nachwuchs entwickelt:

  1. Die stiftförmigen Eier sind schwach gekrümmt und milchigweiß. Je nach Umgebungstemperatur schlüpfen aus ihnen nach 4–10 Tagen bein- und augenlose Larven.
  2. Diese Maden benötigen eiweißreiche Nahrung, die bei den Einsiedlerbienen als Pollenvorrat in ihren jeweiligen Brutzellen eingeschlossen ist, bei den sozialen Bienen aber je nach Entwicklungsstand der Larven zugefüttert wird.
  3. Am Ende ihrer Wachstumsphase spinnen sich die Maden vieler Bienenarten in Kokons aus körpereigenen Sekreten ein, die ihnen während der Metamorphose Schutz gewähren. Es folgt bei den meisten Arten eine Ruhelarven- bzw. Vorpuppenphase, die wenige Sommerwochen, aber auch (bei den meisten Arten) bis zu elf Monate währen kann und der Überwinterung (Diapause) dient. Kurz ist sie bei Arten, die (unter günstigen Umständen) in einer zweiten Jahresgeneration auszufliegen, welche im Herbst ebenfalls zugrunde geht. Soziale Bienen wie die Hummeln, die viele Arbeiterinnen und eine zweite Generation im selben Jahr produzieren, brauchen eine solche Diapause überhaupt nicht.
  4. Anschließend "verpuppen" sich die Larven, indem sie ihre Haut abstreifen und mit der Metamorphose beginnen. In diesem "Puppenstadium" überwintern nur wenige Arten (Puppendiapause).
  5. Das Insekt (Imago), das sich schließlich aus der Puppenhülle befreit, ist fertig entwickelt, d. h. die Biene wächst nicht mehr und ist sofort fortpflanzungsfähig, wenn sie nicht gerade als Arbeiterin einer sozialen Art geboren wurde. In dieser Imaginaldiapause, d. h. als flugfähige Bienen, überwintern solche Arten, die schon früh im Jahr schlüpfen und fliegen. Einige dieser Wildbienen bringen im Sommer eine zweite Generation hervor. Arten, die nur einmal fliegen, nennt die Wissenschaft univoltin; Bienen, die eine zweite Generation im Jahr hervorbringen, sind folglich bivoltin. Mehrjährige Entwicklungszyklen kennt man nur von der Honigbiene (Apis mellifera) und der bodenbewohnenden Furchenbiene Lasioglossum marginatum, deren Königinnen 5–6 Jahre leben, aber nicht annähernd die große Nachkommenschaft eines Honigbienenvolkes erreichen.
    Lebensrhythmus der Wildbiene Osmia bicolor
    Lebensrhythmus der Mauerbiene Osmia bicornis: Das Fluginsekt lebt nur ca. 4–6 Wochen in der Zeit von April bis Juni (= Imaginalphase); die Larvalphase (hier gelb markiert) hat ihren Schwerpunkt im Juni und Juli und beträgt ca. 3–5 Wochen; die Überwinterung (Diapause ab August) im Kokon dauert ca. 8 Monate.
    Hummelköniginnen überwintern erst nach dem Schlüpfen und der Begattung, um im Frühjahr ein neues Hummelvolk zu gründen. Auch weibliche und männliche Furchen- und Schmalbienen (Halictus & Lasioglossum) und die meisten Blutbienen (Kuckucksbienen der Gattung Sphecodes) schlüpfen schon im Sommer bis Spätsommer des Jahres, in dem ihre Entwicklung begann, und paaren sich; die Drohnen sterben im kalten Herbst, die Weibchen aber überwintern in der Erde und beginnen erst im Folgejahr mit dem Brutgeschäft. Keulhornbienen (Ceratina) und Holzbienen (Xylocopa) überwintern ebenfalls als Fluginsekten, paaren sich aber erst im Frühjahr.
        Die Diapause einiger weniger Bienenarten umfaßt mehr als einen Winter. Diese "Überlieger" können den ersten Winter als Ruhelarve (Praepupa), den zweiten als Imago überdauern. Die Entwicklung vom Ei bis zur Imago dauert dann zwei oder sogar drei Jahre. Eine solche verlängerte Diapause wird als Risikostreuung interpretiert, sie erweist sich nämlich als Vorteil, wenn z. B. die Pollenpflanzen einer (vor allem oligolektischen) Bienenart in einem Jahr völlig ausfallen oder weniger zahlreich blühen; zu erwarten ist dies bei zweijährigen (biennen) Blütenpflanzen, bei Schlechtwetterperioden und in höheren Lagen (Gebirgen) und Breitengraden. Individuen, die erst im zweiten Jahr ausfliegen, können so Verluste des ersten Jahr ausgleichen und den Fortpflanzungserfolg ihrer Art sichern. Unter den Bienen sind bislang nur wenige fakultative oder obligate "Überlieger" bekannt, unter den Mauerbienen Osmia adunca, Osmia grandis (obligat, Gebirgsart), Osmia inermis, Osmia leaiana, Osmia niveata, Osmia parietina.

Metamorphose

Die Metamorphose der Insekten ist eines der unglaublichsten Wunder der Natur. Während dieses schnellen Umwandlungsprozesses löst sich die Larve auf und strukturiert sich neu. Die weißliche Puppe läßt bereits die spätere Biene (Imago) erkennen, nur die Flügel sind noch nicht entfaltet, sondern liegen wie glasklare Falttaschen am Thorax an. Zuerst färben sich die großen Facettenaugen und die kleinen Punktaugen um, später die Mandibeln und Fühler, dann der Thorax und Abdomen. Blutflüssigkeit (Haemolymphe) wird in die Flügel gepumpt und streckt diese. Schließlich bricht die Puppenhaut am oberen Thorax auf, und das fertige Insekt befreit sich mit Hilfe seiner Oberkiefer und Beine. Die von Art zu Art unterschiedlich üppige Behaarung ist zunächst silbrigweiß, dunkelt aber im Zuge ihrer Verhärtung.

Fortpflanzungsrate

Die Lebenszeit eines Solitärbienenweibchens dauert typischerweise nur 4–6 Wochen — Ausnahmen machen nur die wenigen Arten, die nach dem Schlüpfen überwintern. Da es für den Bau einer Brutzelle, die Ablage eines Eies dort und dessen Versorgung mit einem Nahrungsvorrat in der Regel ca. einen Tag benötigt, kann es unter günstigsten Verhältnissen (Witterung, Tracht, Nistgelegenheiten) nicht mehr als 20–40 Maden produzieren. Deren Zahl verringert sich noch durch Nässe und Schimmel, Räuber und Parasiten, und die schließlich ausgeflogenen Einsiedlerbienen sind zum Teil Männchen. Mehr als 10 Weibchen sind also für die Folgegeneration nie zu erwarten.
    Eine so geringe Fortpflanzungsrate macht unsere Einsiedlerbienen extrem empfindlich gegenüber menschlichen Eingriffen, die mit modernster Technik in kürzester Zeit Tausende Nistplätze oder Trachtpflanzen vernichten kann. Besser stehen im Prinzip die sozialen Bienen da: Die Königinnen der sozialen Furchenbienen (Lasioglossum spec.) bringen es je nach Art auf 30–100, manchmal gar auf bis zu 1500 Nachkommen, während Hummelköniginnen (Bombus spec.) kaum mehr als 100 Nachkommen, maximal 800 erzeugen; aber auch diese sozialen Wildbienen, speziell die Spezialisten unter ihnen, sind längst in die Mühlen der menschlichen Zivilisation geraten und zum Teil extrem gefährdet.


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